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Psychotherapie bei Angst- und Panikattacken: 3 verhaltenstherapeutische Techniken bei Angstzuständen


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Mit den richtigen Strategien können Alltagsängste bewältigt werden. Bei verfestigten Mustern bietet die Verhaltenstherapie effektive Hilfe.


Angst: Freund oder Feind?

Angst ist ein Gefühl, das jeder von uns kennt. Ein flüchtiges Unbehagen vor einem wichtigen Gespräch, das mulmige Gefühl vor einer großen Präsentation oder das Herzklopfen, wenn man nachts alleine nach Hause geht – all das sind Momente, in denen Angst unsere Gefühlswelt prägt. In der Tat ist Angst ein uraltes, evolutionär tief verankertes Gefühl, das uns Menschen über Jahrmillionen geholfen hat, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren (Mehr dazu auf meinem Youtube-Kanal: ↗What Really Happens When You're Stressed in Your Brain? Fight or Flight. )

Doch obwohl Angst grundsätzlich ein natürlicher und sogar lebenswichtiger Mechanismus ist, der uns davor bewahrt, risikoreiche oder gefährliche Situationen leichtfertig zu ignorieren, kann sie in unserer modernen Gesellschaft manchmal Überhand nehmen. Tägliche Herausforderungen, Druck, schnelle Lebensveränderungen und zahlreiche Informationsquellen können das Gefühl der Angst verschärfen und verstärken. Wenn diese Ängste an Intensität gewinnen und unsere Lebensqualität beeinträchtigen, laufen wir Gefahr, dass aus einer natürlichen Emotion eine chronische Belastung wird. In extremen Fällen kann dies zu einer Angsterkrankung führen.


Angsterkrankungen und ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben

Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und können sich in vielfältigen Formen manifestieren. Eine Angsterkrankung zeichnet sich durch übermäßige, anhaltende Angst- und Sorgegefühle aus, die in keinem Verhältnis zu tatsächlichen oder zu erwartenden äußeren Gegebenheiten stehen. Das bedeutet, dass Betroffene häufig Angst empfinden, selbst wenn keine offensichtliche Gefahr besteht. Zu den Angsterkrankungen zählen beispielsweise die Generalisierte Angststörung, die Panikstörung, die Soziale Angststörung oder die spezifischen Phobien (lies hier mehr dazu).Unabhängig von der spezifischen Diagnose haben all diese Störungen eins gemeinsam: eine intensive, oft lähmende Furcht, die weit über normale Sorgen oder Befürchtungen hinausgeht. Diese Angst kann sich tief in den Alltag der Betroffenen einbetten und deren Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Alltägliche Aufgaben wie Einkaufen, Autofahren oder soziale Interaktionen können zu einer enormen Herausforderung werden, manchmal sogar zu unüberwindbaren Hürden. Häufig entwickeln Betroffene Vermeidungsstrategien, um angstauslösende Situationen zu umgehen, was wiederum zu Isolation und einer eingeschränkten Lebensführung führen kann. Darüber hinaus kann die konstante Anspannung und Sorge auch zu physischen Symptomen führen, wie Schlafstörungen, Verdauungsproblemen oder Herzrasen. Insgesamt beeinträchtigt eine unbehandelte Angsterkrankung nicht nur das emotionale Wohlbefinden, sondern kann auch tiefe Spuren im sozialen, beruflichen und körperlichen Leben hinterlassen.



Angstbewältigung: Ängste können behandelt werden

Doch es gibt Hoffnung. Es ist wichtig zu wissen, dass es effektive Behandlungsmethoden gibt, die bei der Bewältigung von Angsterkrankungen helfen können. Eine davon ist die Verhaltenstherapie. Diese Therapieform zielt darauf ab, schwierige Verhaltensmuster, wie beispielsweise die oben erwähnte Vermeidungsstrategie, zu erkennen und zu bearbeiten. Das Ziel ist es, dich mit den auslösenden Situationen und Emotionen zu konfrontieren und alternative, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln, um langfristig ein erfüllteres Leben zu führen.

Nun möchte ich dir drei Techniken vorstellen, die ich häufig in der Angstbehandlung mit Patient:innen anwende. Sie können dir dabei helfen, erste Schritte zur Angstbewältigung zu unternehmen und ein tieferes Verständnis für deine Emotionen und Reaktionen zu entwickeln. Lass uns gemeinsam einen Blick darauf werfen.


1. Atemübung: Diaphragmatisches Atmen

Das diaphragmatische Atmen, oft auch als Bauchatmung bezeichnet, ist eine bewährte Methode zur Beruhigung des Nervensystems. Es kann dazu beitragen, die körperlichen Symptome von Angstzuständen, wie Herzrasen und schnelle Atmung, zu reduzieren und den Geist zu beruhigen.


Anleitung zum diaphragmatischen Atmen:

  1. Vorbereitung: Finde einen ruhigen Ort, an dem du dich wohl fühlst. Setze dich bequem auf einen Stuhl oder lege dich flach auf den Rücken. Lege eine Hand auf deinen Brustkorb und die andere auf deinen Bauch, direkt unter den Rippen.

  2. Einatmen: Atme langsam und tief durch die Nase ein. Versuche, den Atem hauptsächlich in den Bauch fließen zu lassen, sodass sich die Hand auf deinem Bauch hebt. Die Hand auf deinem Brustkorb sollte sich möglichst wenig bewegen.

  3. Halten: Halte den Atem für einen Moment und spüre, wie sich deine Lungen mit Luft füllen.

  4. Ausatmen: Atme langsam und kontrolliert durch den Mund aus. Dabei sollten sich deine Bauchmuskeln zusammenziehen und die Hand auf deinem Bauch sollte sich senken. Die Hand auf deinem Brustkorb bleibt weiterhin ruhig.

  5. Wiederholung: Führe diese Atemtechnik für einige Minuten durch und versuche, dich voll und ganz auf den Atem zu konzentrieren. Spüre, wie mit jedem Atemzug Ruhe und Gelassenheit in dich fließen.

  6. Reflexion: Nach der Übung, nimm dir einen Moment, um zu reflektieren. Wie fühlst du dich jetzt im Vergleich zu vor der Übung? Hast du eine Veränderung in deinem Körper oder deinem Geisteszustand bemerkt?

Das diaphragmatische Atmen kann zu Beginn etwas ungewohnt sein, insbesondere wenn du normalerweise flach oder "oberflächlich" atmest. Aber mit der Zeit und Übung wird es zur zweiten Natur werden. Es ist eine einfache, aber kraftvolle Methode, die du überall und jederzeit anwenden kannst, um dich zu beruhigen und einen klaren Kopf zu bewahren. Es lohnt sich also, sie regelmäßig zu praktizieren und in deinen Alltag zu integrieren. Eine ausführliche Anleitung findest du auch auf meinem Youtube-Kanal: 1-Minute CBT Mental Health Tool: Diaphragmatic Breathing


2. ABC-Technik

Angst ist eine komplexe Emotion, die häufig durch unsere Gedanken und Interpretationen einer Situation beeinflusst wird. Um unsere Reaktionen auf angstauslösende Ereignisse besser zu verstehen und zu bewältigen, kann die ABC-Technik ein effektives Werkzeug sein. Diese Technik hilft dabei, den Zusammenhang zwischen auslösenden Ereignissen (A), unseren Gedanken und Überzeugungen (B) und den resultierenden Gefühlen und Verhaltensweisen (C) zu entziffern.


ABC-Technik für die Angstbewältigung:

A. Aktivierendes Ereignis: Welche Situation oder welches Ereignis hat die Angst ausgelöst? Z.B.: "Ich muss eine Präsentation vor Kollegen:innen halten." B. Gedanke (Belief): Welche Gedanken oder Überzeugungen traten in dieser angstauslösenden Situation auf? Z.B.: "Ich werde versagen und mich blamieren." C. Konsequenz (Consequence): Welche Emotionen und Reaktionen haben diese Gedanken hervorgerufen? Z.B.: "Ich fühlte mich ängstlich und überlegte, die Präsentation abzusagen."


Nachdem die ABC-Kette identifiziert wurde, ist es wichtig, den Gedankengang (B) kritisch zu hinterfragen und herauszufordern. Frage dich: Ist mein Gedanke realistisch? Gibt es Beweise dafür? Könnte es andere Interpretationen der Situation geben? Das Ziel ist, die automatischen negativen Gedanken, die die Angst fördern, zu erkennen und durch rationalere und unterstützende Gedanken zu ersetzen. Mit regelmäßiger Anwendung kann diese Technik dabei helfen, Ängste zu reduzieren und Situationen mit größerer Gelassenheit und Selbstsicherheit zu begegnen.


3. 5-4-3-2-1-Übung

Ein weiterer effektiver Ansatz zur Bewältigung akuter Angstzustände ist die 5-4-3-2-1 Übung, die sich insbesondere zur Erdung in Momenten intensiver Angst eignet. Sie ist eine Form der Achtsamkeit, bei der du dich auf deine fünf Sinne konzentrierst, um dich wieder ins Hier und Jetzt zu bringen und von angstauslösenden Gedanken abzulenken.


So funktioniert die 5-4-3-2-1 Übung:

  1. Fünf Dinge sehen: Beginne damit, dich in deiner unmittelbaren Umgebung umzuschauen und benenne fünf Dinge, die du siehst. Das könnten zum Beispiel ein Bild an der Wand, ein Stuhl, eine Pflanze, ein Fenster und deine Schuhe sein.

  2. Vier Dinge hören: Schließe kurz die Augen und konzentriere dich auf die Geräusche um dich herum. Welche vier Töne oder Geräusche kannst du identifizieren? Vielleicht das Ticken einer Uhr, das Zwitschern von Vögeln, das Summen eines Computers oder das Rauschen des Windes.

  3. Drei Dinge fühlen: Welche drei physischen Empfindungen kannst du aktuell an oder in deinem Körper wahrnehmen? Es könnte die Textur des Stoffes deiner Kleidung auf deiner Haut sein, die Kühle des Tisches unter deinen Händen oder die Wärme einer Tasse Tee, die du hältst.

  4. Zwei Dinge sehen: Nachdem du bereits zuvor fünf Gegenstände identifiziert hast, konzentriere dich jetzt intensiver auf zwei besondere Dinge in deiner Umgebung, die dir ins Auge fallen. Das könnte ein besonderes Lichtspiel sein, das durch das Fenster fällt oder ein interessantes Muster auf einem Kissen.

  5. Ein Ding hören: Zuletzt richte deine Aufmerksamkeit ganz auf deine Ohren und identifiziere ein einzelnes Geräusch, das heraussticht. Es könnte der entfernte Klang einer Kirchenglocke sein, das Knarren eines Holzbodens oder das leise Summen eines elektronischen Geräts.

Die 5-4-3-2-1 Übung ist so effektiv, weil sie dich dazu zwingt, dich voll und ganz auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und so aus der Spirale der Angst herauszutreten. Indem du dich auf deine Sinne verlässt und dich erdest, wird die Verbindung zu den angstauslösenden Gedanken oder Erinnerungen unterbrochen, und du kannst einen Zustand innerer Ruhe wiederherstellen. Probiere es das nächste Mal aus, wenn du dich überwältigt oder ängstlich fühlst!


Zum Abschluss dieses Artikels möchte ich dich daran erinnern, dass die heute vorgestellten Techniken wertvolle Instrumente sind, die dir in stressigen oder angstvollen Momenten Erleichterung verschaffen können. Sie bieten erste Schritte zur Selbsthilfe, sind jedoch nicht als Ersatz für eine umfassende therapeutische Behandlung gedacht. Wenn du feststellst, dass Ängste und Sorgen deinen Alltag immer mehr beeinträchtigen, dann rate ich dir, professionelle Hilfe in Erwägung zu ziehen. Die Verhaltenstherapie, als ein evidenzbasierter Ansatz, hat sich besonders bei der Behandlung von Angsterkrankungen als äußerst wirksam herausgestellt. Ein früher Therapiebeginn kann nicht nur rasche Linderung bringen, sondern auch helfen, langfristige Komplikationen zu vermeiden. Es ist eine Investition in deine psychische Gesundheit und in ein angstfreieres Leben. Denke daran, dass es keine Schande ist, Hilfe zu suchen; es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstfürsorge.


Wenn du das Gefühl hast, einen positiven Schritt in Richtung Wohlbefinden machen zu wollen, bin ich hier, um dir zu helfen. Vereinbare einfach einen Beratungstermin. Jeder Zeitpunkt ist der richtige, um für dich selbst zu sorgen.





Disclaimer: Die Inhalte dieses Blogs dienen der allgemeinen Information und ersetzen keineswegs eine individuelle Beratung, Diagnose oder Therapie. Bei spezifischen psychischen Anliegen ist es wichtig, sich an einen Facharzt oder einen Therapeuten deines Vertrauens zu wenden. Die hier geteilten Informationen und Meinungen sind meine persönlichen Ansichten und sollen nicht als Ersatz für professionelle Hilfe betrachtet werden.




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